BORDERS: Internationale Gruppenausstellung in Berlin

Erschienen auf www.artandevents.mediaquell.com, 2009


Der Begriff Border wird in einer Gruppenausstellung in Berlin zur Diskussion gestellt: In seinem 3. Ausstellungsprojekt BORDERS – Rand Grenze Rahmen präsentiert der Berliner Kunstverein ConcentArt e.V. in seiner Location in Kreuzberg 17 nationale und internationale Künstler und Künstlergruppen (5. Juni bis 26. Juli 2009). Der Kunstverein stellt künstlerische Auseinandersetzungen, Methoden und Darstellungsformen über gesellschaftliche Phänomene und Diskurse der Gegenwart in den Mittelpunkt seiner Ausstellungen, für die Begriffe aus dem kollektiven Bewusstsein ausgewählt und zur Diskussion gestellt werden.

Begriffe aus dem kollektiven Bewusstsein

Der Begriff Border und seine deutschen Entsprechungen im Titel des gleichnamigen Ausstellungsprojektes ist ein Angebot des Berliner Kunstvereins ConcentArt e.V. an Künstler aller Genres, Medien, Darstellungs- und Ausdrucksformen, sich produktiv mit gesellschaftlichen Realitäten auseinanderzusetzen und sie sinnlich mit ihren künstlerischen Mitteln in Entsprechung zu dem Begriff Border erfahrbar zu machen. Nach den thematischen Gruppenausstellungen „Sicherheit“ und „Wa(h)re Kunst“ zeigt ConcentArt e.V. in dem großen Ausstellungsraum in einem Hinterhof der Kreuzbergstraße mit BORDERS – Rand Grenze Rahmen wieder einmal Werke von großer Qualität. Kuratiert wurde die internationale Gruppenausstellung vom Künstler Georgi Begun und dem Berliner Kurator Dr. Rolf Külz-Mackenzie.

Der auch in der deutschen Sprache gebräuchliche Begriff Border steht für eine Bandbreite von Begrifflichkeiten ohne wirkliche Begrenzung und spielt in seinen deutschen Synonymen – Rand, Grenze, Rahmen – in unserer Wahrnehmung eine Rolle. Das angelsächsische Border steht für all dieses und für weitere Zusammenhänge aus der Psychologie (Borderline Syndrom), der Ökonomie (Cross border leasing) oder der Politik (State Border). Wir leben in einer Zeit der Grenzenlosigkeit, der Entgrenzung, der Grenzüberschreitung, der Randexistenzen oder der Rahmenlosigkeit. Wir stossen an die Grenzen der Wahrnehmung, leben in unsichtbaren Grenzen, fallen aus dem Rahmen, oder stehen am Rande des Abgrundes.

Die US-Videokünstlerin Nicole Cohen über Borders von Zeit und Raum

In der Videoinstallation Jet lag von Nicole Cohen wird der Betrachter mit vielfachen Facetten des Begriffs Border konfrontiert: Die Rahmen der zwei Projektionsflächen, zwei kleine Bilder von Räumlichkeiten – hier von Flugzeuginterieurs – und die Überschreitung dieser materiellen Grenze, die hier durch auf die Fläche projizierte, animierte Menschen aufgehoben wird, indem sie von einer Fläche zur anderen wandern und kurzzeitig im Zwischenraum – der Wand – verschwinden. Der Fakt der Eingrenzung im geschlossenen, fliegenden Raum, das Flugzeug: Die besondere Situation des Fliegens, in der Grenzen virtuell erscheinen, Zeitzonen sich überlappen oder für den Passagier in der Luft wahrnehmlich aufgehoben werden. Der Titel Jet lag, spielt auf das physische Resultat der Zeitgrenzenüberschreitungen an.

Nicole Cohen wollte das Thema Abflug/Abfahrt und Ankunft bearbeiten, diesen Zustand zwischen zwei Momenten, bei dem man in Abwesenheit und Desorientierung schweben kann. Dieser Moment, in dem man die Erinnerung an einen Raum in den nächsten Raum mitnimmt und eine Überlappung stattfindet, die auch eine Art Konfusion hervorrufen kann.

Die amerikanische Künstlerin befasst sich seit Jahren in ihren Videoarbeiten mit Räumlichkeiten, Innenausstattungen und Mobiliar. Meistens sind sie historisch aus anderen Zeiten und werden durch animierte, projizierte Personen aus der Gegenwart in einen neuen dynamischen Kontext gesetzt. Sie clashen aufeinander durch die Überlappung der immobilen Projektionsfläche, das Bild eines Interieurs und der animierten, den Proprtionen des Interieurs angepassten Videoprojektion.

Bei der Künstlerin ruft der Begriff Border Multiples hervor: The edge (Borte, Flanke, Grenze, Kante, Rand, Schneide, Umrandung…), eine spezifische Linie, die zwei Seiten trennt. Auf der einen Seite befinden sich Dinge, die in einer bestimmten Weise vorgeschrieben sind, und auf der anderen Erwartungen. Eine dünne Linie zwischen zwei verschiedenen Codes oder Arten des Wirkens. Für die Performances in Cohens Videoarbeiten agieren Personen in bestimmten Räumlichkeiten. Es gibt eine starke unsichtbare Grenze zwischen den Akteuren und ihr, der Regisseurin. Die Idee der psychologischen Grenze zwischen verschiedenen Räumlichkeiten sowie Epochen ist in ihren Arbeiten ein Leitfaden.

Nicole Cohen lebt und arbeitet seit 2008 in Berlin, reist für Aufträge oft in die USA und lebt mit dem jet lag, der bei der Ankunft in Berlin anscheinend immer heftiger ist. Sie nennt diesen Zustand auch einen «Kick», einen «Lichtkick», denn man muss das Tageslicht konfrontieren, obwohl der Körper auf Nacht eingestellt ist, und in diesem Zustand erfährt man körperliche Grenzzustände.

Künstlerische Auseinandersetzungen mit Borders

In Unser Garten erforscht der polnische Künstler Roland Schefferski die Grenze zwischen heimisch und exotisch anhand des Gartenbeispiels. Ergebnisse der Tauchgänge in die Tiefe des Unbewussten, Resultate des Projektes ORA des Italieners Ugo Dossi und Hara Walther in Berlin werden hier zum ersten Mal gezeigt: Ab 2008 galt es als Zentrum und Entfaltungsraum für sensitive Begabungen, in dem sie Zugang zur Kreativität des Unbewussten finden und entwickeln können. Als Werkzeug wird hierfür das Phänomen des sogenannten Automatischen Zeichnens eingesetzt, mit dem unbewusste Inhalte unmittelbar, gleichsam automatisch zum Ausdruck gebracht werden können. So entstanden eine große Anzahl von ORAcles, automatische Zeichnungen mit verblüffenden Inhalten, die auf das Wirken einer transpersönlichen Intelligenz hinweisen, an der Grenze zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein…

Der Schweizer Urs Jeaggi appelliert mit seiner Rauminstallation Kampfplatz 2009 an die politische und soziale Dimension des Begriffs Border und stellt erhebliche Fragen an unsere Gesellschaft. Der Kanadier Don Ritter verblüfft mit einer interaktiven Videoinstallation Vox populi, bei der der Besucher historische Reden vor einem projiziertes Publikum halten kann, das prompt auf den Redner reagiert. Der Mazedonier Jovan Balov regt mit seiner Installation aus Video und Leinwänden Net Total zur Reflektion über geopolitische Grenzverschiebungen an.

Der russische Künstler Georgi Begun überrascht mit drei Installationen, in denen er die menschliche Figur in einem Video-Triptychon porträtiert, in Fotoarbeiten durch Gitter eingrenzt, oder mit drei im Fußboden integrierten Bildschirmen am Eingang der Ausstellung. In dieser interaktiven Installation Trespassing tritt der Besucher dem Künstler ins Gesicht, welches sich vor Schmerz verzerrt. Das Künstlerpaar Beatrijs Albers und Reggi Timmermans aus Belgien zeigen neben den vielen Videos in der Ausstellung eine Installation mit Materie, hier Textil: Taschentücher und ausgeschnittene Blazertaschen, in Schnörkelschrift mit Beautiful Borders bestickt, spielen auf den sinnlichen Aspekt des Begriffs Rand an. Die Thematisierung der damaligen Grenze in Berlin sollte bei Borders nicht fehlen. Jan Peter E.R. Sonntag zeigt hier Wall, eine Installation im Bereich der diskursiven Medienkunst. Fünf Jahre nach dem Mauerfall installierte er 100 Sinustöner auf dem brachen Feld des Postdamer Platzes bis hin zur damaligen Ausstellung Fall Wall Fall im Gropius-Bau. 20 Jahre nach dem Mauerfall bezieht er sich bei Borders wieder auf diese Intervention und metrisiert den Raum mit einer großen, weißen Leinwand-ein pulsendes Klangfeld-und setzt eine unsichtbare Linieatur.

Der Berliner Kunstverein ConcentArt e.V. schafft es, die Vielfältigkeit des Begriffs Border anhand der Mannigfaltigkeit der 17 Werke zu umschreiben und kündigt schon die nächsten vielversprechenden Ausstellungen für das Jahr 2009 auf seiner Interseite an: Strictly Berlin und Luxury.

Katia Hermann