Erotische Werke von George Grosz aus Berlin verschwunden

Published on www.artandevents.mediaquell.com 2008


Die Sonderschau „George Grosz und die Erotik“ auf der Expressionale 2008 am Potsdamer Platz war erst ab 18 Jahren zugänglich. Schwerpunkt dieser Ausstellung war das Spätwerk des sozialkritischen Berliner Künstlers George Grosz, seine erotischen Werke. Die Ölbilder, Tuschzeichnungen und Aquarelle entstanden im amerikanischen Exil ab Ende der 1930er Jahre. Ein Jahr nach der Ausstellung kommt die Meldung: Vier Werke aus Berlin sind verschwunden.

Im Exil in New York erhielt Grosz einen Lehrauftrag an der New Yorker Art Students League. Seine anfängliche Begeisterung für das Land ließ schnell nach: „Dies ist kein Land für Träumer – hier wird nur gearbeitet“, schrieb der Künstler nach seiner Übersiedlung. Er besaß jahrelang wenig Geld und überlebte dank seines Lehrauftrags. In den frühen 1950er Jahren versank er in Pessimismus und kämpfte gegen Depressionen, die er mit Alkohol zu ertränken versuchte. 1958 kehrte der Künstler desillusioniert und krank in seine Heimatstadt Berlin zurück und starb nur ein Jahr später.

Obwohl sich George Grosz zeitlebens mit der Erotik beschäftigte, brachte der Aufenthalt in New York eine besondere Qualität für seine erotischen Werke. In der amerikanischen Gesellschaft stießen sie in den 1940er-50er Jahren jedoch auf Ablehnung, sie schockierten die Amerikaner.

Mit schwarzer Tuschfarbe oder Aquarell malte Grosz z. B. Frauen mit überdimensioniertem Penis, als Zwitter, sowie Rückenakte mit Blick auf Po und triefender Scheide oder Frauen mit dem Maler „vereinigt“.
Seine Arbeiten sind nicht als pornografisch einzuordnen, meint der Galerist, Experte, Sammler und Zeichner Florian Karsch von der bekannten Galerie Nierendorf in Berlin. Es sind intime Bekenntnisse des Künstlers, im Grunde sogar Treuezeugnisse, denn die abgebildeten Frauen tragen Züge seiner Ehefrau und deren Schwester.

“Eines der verschwunden Werke: George Grosz, Kauernder Rückenakt nach links und sitzender Maler, Öl und Mischtechnik auf festem Aquarellbütten, 355 x 507 mm, um 1940, Sammlung Karsch-Nierendorf”
George Grosz, Kauernder Rückenakt nach links und sitzender Maler, Öl und Mischtechnik auf festem Aquarellbütten, 355 x 507 mm, um 1940, Sammlung Karsch-Nierendorf

„Grosz thematisiert in diesem späten erotischen Werk Traumata. Das Thema „Kastrationsangst“ führt zu zweigeschlechtlichen Frauendarstellungen. Er arbeitet mit der in der Psychologie gängigen Ambivalenz einer „Lust-Angst“ oder einer „Hass-Liebe“ und vergrößert sie bis ins maximale Bildvolumen, um sodann den „Schock des Betrachters“ durch die Bildung eines Fetischs abzumildern“, schreibt der Kurator Joachim Leipski im Katalog der damaligen Ausstellung „George Grosz und die Erotik“ auf der Expressionale 2008. Joachim Leipski alias Joachim Train verschwand spurlos nach der Expressionale.

Er hinterließ einen Schuldenberg von 400 000 €; hinzu kommt, dass vier Aquarelle der erotischen Werke George Grosz aus der Sammlung Florian Karsch verschwanden, die angeblich über die damalige ausführende Firma der Expressionale einem Spanier verkauft wurden. Einem fiktivem Spanier, wie sich herausstellen sollte. In welchen Händen sich nun, ein Jahr später die vier erotischen Blätter befinden und wo der Kurator untergetaucht ist, ist jetzt ein Fall des LKA Berlins.

Ein am 18.08.2009 in der Berliner Zeitung erschienener Artikel berichtet ausführlich über diesen Kriminalfall.

Katia Hermann