Kunst und Kalter Krieg im Deutschen Historischen Museum Berlin

Erschienen auf www.artandevents.mediaquell.com, 2009


Die Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg – Deutsche Positionen 1945-1989″ startete am symbolischen Tag, dem 3. Oktober 2009, und zeigt bis zum 10. Januar 2010 auf rund 1.500 m2 in dem Gebäude von I. M. Pei des Deutschen Historischen Museums 375 Kunstwerke von mehr als 120 Künstlern. 20 Jahre nach dem Mauerfall kann man eine Auswahl deutscher Kunst, die seit dem Kriegsende in Ost- und Westdeutschland entstand, in dieser thematischen Gruppenausstellung neu entdecken. Einige Werke kennt man vielleicht schon aus verschiedenen Museumssammlungen oder aus der Ausstellung „Kunst in der DDR“ in der Nationalgalerie in Berlin.

Die Kuratoren, Stephanie Barron vom Los Angeles County Museum of Art und Eckhart Gillen, Kulturprojekte Berlin, präsentieren nach den Stationen Los Angeles und Nürnberg in Berlin eine neue Version der Ausstellung „Kunst und Kalter Krieg“. Die Berliner Variante präsentiert noch zusätzliche Werke. Gemeinsam sollen sie zeigen, wie Künstler aus Ost- und Westdeutschland im aufgeladenen Spannungsfeld der ideologischen Systemgegensätze in Ost und West eine vielschichtige und eigenständige politische Ikonografie entwickelt haben. Eckhart Gillen äußerte: „Die verschiedenen Formen der Kunst transportieren mentale, kulturelle und politische Inhalte, ohne sie im Sinne politischer Botschaften zu instrumentalisieren. Indem die Bilder aus vier Jahrzehnten deutscher Nachkriegskunst in ihrer Vielfalt und in ihrer Gestaltungskraft in unsere Wahrnehmung rücken, entsteht eine neue Perspektive auf die geteilte Nachkriegsgeschichte.“

Stunde Null, 1945-49

Der Rundgang gliedert sich in vier Zeitabschnitte und beginnt mit der Stunde Null, 1945, und mit der Frage nach Kontinuität oder Neubeginn. Mit Werken von Karl Hofer und Hannah Höch beginnt man den Rundgang im ersten Saal; sie zeigen Menschen gruppiert in Szenen von Totentänzen und trauernden Frauen. Schwarzweiß-Fotos von Richard Peter sen., die 6er Serie „Dresden nach der Bombardierung vom 13/14. Februar 1945“, zeigen Bombenopfer und ihre Accessoires in den Trümmern von Dresden. Werke der Abstraktion aus der Schule der Bauhaus-Moderne werden mit figurativen Werken konfrontiert. Heinz Trökes Ölgemälde „Zwischen den Blöcken“ von 1947, eine im surrealistischen Stil dargestellte Szene schwebender Elemente zwischen zwei Mauer-Blöcken, ist vielleicht die erste Anspielung auf das, was noch kommen wird. Die Bronzeskulptur „Der Befreite“ von Georg Kolbe von 1945 sitzt nackt auf einem Stein und vergräbt sein Gesicht tief in seinen Händen – wohl befreit, doch trauernd, bedrückt und verängstigt sitzt er da und erinnert an den „Denker“ von Auguste Rodin, nur ist es hier eine zusammengebrochene Gestalt. In ihr spiegelt Kolbe die Erschütterung der Deutschen nach dem Kriegsende wider.

Streit um das Menschenbild in den 50er Jahren

Der Held der Zukunft ist das Sujet des Sozialistischen Realismus im Osten, während die informelle Malerei im Westen Ausdruck des befreiten Subjekts sein will. Denkmalwettbewerbe konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen. Siegesdenkmal in Ostberlin, das Buchenwald-Ehrenmal mit der Skulpturengruppe von Fritz Cremer in der DDR, das geplante Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen in Westberlin…

Zeitgenossenschaft: 1960 bis 1979

Die Erweiterung des Kunstbegriffs und der künstlerische Gebrauch der neuen Medien stehen unter dem Begriff Zeitgenossenschaft. In diesen Jahren beginnt zugleich die historische und künstlerische Aufarbeitung des Nationalsozialismus sowie die Radikalisierung verschiedener politischer Gruppen und Künstlergruppen. Der Kapitalistische Realismus, inspiriert durch die amerikanische Pop Art, wird die Kunst des Wirtschaftswunders. Fluxus, Happening, Performance und Neue Medien erweitern den Kunstbegriff. Hier sind bedeutende Werke von Beuys, Uecker mit der Gruppe Zero, Vostell, Polke und Nam June Paik – seine Installation „Kuba“ von 1963, ein Fernsehgerät der Marke „Kuba“ – zu sehen. Sigmar Polke baut 1967 das Objekt “Kartoffelhaus”, ein bissiger Kommentar auf die Welt des westdeutschen Kleinbürgers der Wirtschaftswunderjahre, für den Eigenheim und gefüllter Vorratskeller überwichtig scheinen. Eine Kritik und Warnung des Künstlers, dass durch die Konsumfreude der Blick auf die Geschichte verloren geht.

Wolf Vostells Bild „B-52 (Lippenstiftbomber)” von 1968 ist eine Kritik an der amerikanischen Regierung, die nach Vostells Meinung lieber Lippenstifte über Nord-Vietnam abwerfen sollte, als das Land zu bombardieren. Jörg Immendorff verurteilt Volf Wostells Position als westlichen Kultur-Imperialismus in seinem großformatigen Gemälde „Deutsche Künstler=Vostell“ von 1975, in dem er Vostell mit seinem Happening-Manifest in der Hand fliegend porträtiert. Immendorff ironisiert den Einfluss auf die Künstler seines ehemaligen Lehrers Beuys in seinem Ölgemälde „Beuysland“ und verurteilt die aus seiner Sicht korrumpierte Gesellschaft in seiner „Lidl”-Serie. In seinem berühmten Gemälde „Café Deutschland“ von 1977/78 dokumentiert er unter anderem seine Freundschaft zu dem bis 1980 in der DDR lebenden Künstler A. R. Penck, mit dem er in den 70er Jahren trotz des geteilten Deutschlands eine künstlerische Partnerschaft begann.

Weiterhin zu sehen sind Werke von Georg Baselitz („Bild für die Väter“, 1965), Thomas Bayrle („Nürnberger Orgie“, 1966), Markus Lüpertz („Dithyramb“, 1964), Gerhard Richter („Onkel Rudi“, 1965) oder Wolf Vostell („Auschwitz-Scheinwerfer 568“, 1958), denen das oft leidenschaftliche Bemühen um Aufklärung, Erinnerung und Anklage gemeinsam ist. Und ein solches Engagement wurde noch bis in die 80er Jahre fortgeschrieben, wie etwa die Bilder von so unterschiedlichen Künstlern wie Anselm Kiefer („Varus“, 1980), Olaf Metzel („Türkenwohnung. Abstand 12 000 DM VB“, 1982) oder Albert Oehlen („Führerhauptquartier“, 1984) erkennen lassen.

Die Installation von Raffael Rheinsberg „Hand und Fuß“ von 1980 mit 350 aufgereihten schwarzen Schuhen und Handschuhen, die er im Niemandsland der Berliner Mauer, nahe des Anhalter Bahnhofs, fand, stammen aus einem Zwangsarbeiterlager der NS-Zeit. Die Installation erhält durch das Licht der Installation von Wolf Vostells „Ausschwitz-Scheinwerfer 560“ von 1958 eine noch dramatischere Dimension. Die Gestaltung ist hier gut gelungen und Bernhard Heisigs bekanntes Ölbild „Unterm Hakenkreuz“ von 1973 hängt auch nicht weit entfernt.

1980-1989: Wahnzimmer Deutschland und Trauma der Vergangenheit

Das Werk von Lutz Dammbeck, „Nibelungen“ von 1986-1988 zieht hier das Auge des Besuchers besonders an. Der Künstler näht hier Bilder der Gesichtshälften von Baader und Ensslin mit Bildern von Werken vom NS-Bildhauer Arno Breker zusammen. Der Titel ist eine direkte Anspielung auf Hitlers Bewunderung für Richard Wagners „Ring der Nibelungen“.

Volker Stelzmann aus Dresden gibt eine Hommage an Rudi Dutschke mit seinem düsteren Ölbild „Für R. D.“ von 1981/82. Es zeigt Rudi Dutschke, der sich auf eine Badewanne stützt, Kopf nach unten gesenkt, eine direkte Anspielung auf seinen tragischen Tod. Georg Herold aus Jena überrascht mit seiner Installation „Laokoon“ von 1984, die aus einem alten Staubsauger und einem Audio-Band besteht, das die Rede von Hitler und Ulbricht über entartete Kunst von 1937 wiedergibt. Der Künstler war in der DDR inhaftiert, bevor seine Ausreise in den Westen 1973 genehmigt wurde.

Die Installation von Hans Haake, „Weite und Vielfalt der Brigade Ludwig“ von 1984 besteht aus zwei großformatigen Ölbildern, die über Eck durch ein Imitat der Berliner Mauer getrennt werden. Es ist mit das eindeutigste Werk der Ausstellung. Auf dem links hängenden Ölbild im sozialrealistischen Stil ist der Industrielle und Kunstmäzen Peter Ludwig mit Familie als Schokoladen-Patissier abgebildet. Das rechts von der Mauer hängende Gemälde zeigt eine Szene im Stil der westlichen Werbung für Trumpf-Schokolade, ein Produkt des Industriellen.

Im Ganzen stellt die Ausstellung eine beeindruckende, in ihrer Intensität und Dichte einzigartige Einführung in über 40 Jahre deutsch-deutsche Kunstgeschichte dar. Dass man die Ausstellung gleichwohl etwas unbefriedigt verlassen kann, liegt an der „Unterbelichtung“ des Kalten Krieges. Denn was hier unter dem Titel der Ausstellung geboten wird, ist vor allem eine Geschichte der deutschen Teilung und ihrer Verarbeitung in der Kunst. Die Erscheinungsformen des Kalten Krieges in der Kunst der beiden deutschen Staaten erhalten dafür weitere Aufmerksamkeit im Katalog der Ausstellung. Das Rahmenprogramm mit Filmvorführungen und Führungen durch „Kunst und Kalter Krieg – Deutsche Positionen 1945-89“ mit renommierten Künstlern ist vielversprechend.

Katia Hermann